Das Hotelzimmer — eine Spielwiese mit unschätzbarem Verwüstungspotenzial
Er rennt durch das Zimmer wie ein wild gewordenes Affenkind, das nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist greift, um es anschließend herunterzureißen. Seine jüngsten Siege in Sachen Hotelzimmerverwüstung: eine heruntergeworfene Teetasse, die in tausend Scherben zerschellt, anschließend grapscht er nach dem Obstkorb und zermalmt sämtliche Trauben in seinen, für ein fünfzehn Monate altes Affenkind doch sehr großen Händen. Die Traubenpampe wird dann als Spur um das gesamte Bett herum, wie bei einem schamanischen Initiations-Ritual, verteilt. Und die Schneise der Verwüstung, die der quirlige Wildfang hinterlässt, wird noch um eine halb angenagte Birne und eine zerquetschte Banane, die auf dem Ledersofa eine Art lebendes Nahrungsmittel-Kunstwerk formen, komplettiert.
Vorsicht tollwütiger Affenjunge
Während ich gerade dabei bin, die Scherben aufzusammeln und den vom kleinen Nachwuchs-Kelter hinterlassenen Traubensaft aufzuwischen, dringt er in ein weiteres, für ihn bislang unbekanntes Terrain vor: er entdeckt im separaten WC das italienische Bidet. Wenn unser Sohn denkt, dann kann ich mir seine Gedanken, die ihm beim Anblick des Bidets, durch den Kopf sausen, hervorragend vorstellen: "Oh wie fein, endlich mal ein Waschbecken, das für mich konzipiert wurde". Mit dieser Feststellung muss er dann, das Bidet in Windeseile erklommen und sich anschließend schneidersitzartig hineinkatapultiert haben.
Zunächst wird der Wasserhahn einige Sekunden von links nach rechts gedreht, doch da hier merkliche Erfolge ausbleiben, steht ein Richtungswechsel von der Horizontalen in die Vertikale an. Und mit welch grandiosem Ergebnis, "Ui, wie wunderbar ist doch so eine warme Komplett-Dusche". Wie schön, dass ich ihn ca. zehn Minuten vorher, unter Aufbietung meiner letzten Kräfte gewickelt und komplett neu eingekleidet hatte.
Wer nun denkt, das Affenkind benötigt nach so viel angerichteter Unordnung eine kleine Pause, der täuscht sich.
Weiter geht es schnurstracks Richtung Telefon. Zehn Mal auf die Tasten gedrückt und die hochfrequente italienische Stimme bildet eine herrliche Kakophonie mit den Sing-Versuchen toskanischer Schönheiten, die bei einer Art "Italien sucht den Superstar" aus dem soeben von unserem Sohn angeschalteten Fernseher, um die Wette trällern. Ich glaube, ich brauche erst einmal einen Schnaps — und das um 12 Uhr vormittags.